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Die Taucheruhr für den zerstreuten Badenden.

OMEGA Marine

10.11.2022

Die Taucheruhr für den zerstreuten Badenden

In einem Inserat, am 22. Juni 1939 in der englischen Zeitschrift „Daily Telegraph“ erschienen, wird mit folgenden Worten Werbung für die OMEGA Marine gemacht: „30 fathoms deep an OMEGA ‚Marine’ still ticks away untroubled“. Da die Daily Telegraph eher weniger von professionellen Tauchern und Abenteurern gelesen wird, die sich in die Tiefen des Ozeans vorwagen (30 fathoms entsprechen 50 Metern), stellt sich die Frage, wer denn mit dem Inserat zum Kauf der wasserdichten Uhr animiert werden soll. Und so ist man auf die geradezu verwegene Idee gekommen, die Uhr quasi jedermann anzupreisen mit den Worten: „So if you are an absent-minded bather (or even a careless washer) this is the watch for you!“  Denn wer vergisst beim Händewaschen nicht mal die Uhr am Handgelenk oder springt unabsichtlich mitsamt dem Schmuckstück in den Pool? Darum ist die Idee vielleicht doch gar nicht so verwegen. Es gibt eben Alltagsrisiken für jeden Träger einer Armbanduhr. Denen begegnet man heutzutage gerne mit wahren Taucheruhrboliden, die garantiert bis 1’000 Meter wasserdicht sind. An den Handgelenken harmloser Zeitgenossen sind sie als „conversation pieces“ im Sitzungszimmer oder auf der Party auch nicht wirklich in ihren Möglichkeiten herausgefordert. So scheinen Taucheruhren vornehmlich etwas für Landratten zu sein. Irgendwie haben sich die Zeiten doch nicht so arg geändert. Der Vergleich über beinahe hundert Jahre hinweg hat allerdings einen Haken, und der ist das Preisschild. Während im 21. Jahrhundert nicht wenige Leute ohne weiteres bereit sind, 10’000 und mehr Franken in eine Uhr zu investieren, war es in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts um einiges schwieriger, die Menschen davon zu überzeugen, dass sie eine teure Uhr brauchen, nur weil sie ein wenig vergesslich oder eben zerstreut sind. Und teuer war die OMEGA Marine! In der Schweiz kostete die Uhr in Stahl 1936 Fr. 150.-. Ein Arbeiter verdiente damals durchschnittlich Fr. 1.30 pro Stunde (eine Frau lediglich Fr. 0.70). Er hätte also 115 Stunden lang für die Uhr arbeiten müssen. Also nicht gerade ein Schnäppchen!

 

Und trotzdem war der Preis der OMEGA eigentlich mehr als angemessen. Denn für diese Zeit kriegte man mit der Marine ein technisches Wunderstück über den Ladentisch gereicht. So war die Uhr auf der Aussenseite mit einem synthetischen Saphirglas ausgestattet. Damals ein sehr teuer und schwierig zu bearbeitender Werkstoff – der Saphir gehört zu den Korunden und hat eine Härte von 9 auf der entsprechenden Härte-Skala (Diamant 10); gehärteter Stahl hat einen Wert von 8. Das Aussengehäuse wird über ein Innengehäuse mit eigenem Glas (gewöhnliches Uhrenglas) gestülpt. So dass die Aufzugskrone – der schwächste Punkt einer wasserdichten Armbanduhr – geschützt ist. Das Ganze wird mit einer Innendichtung aus Leder versehen (ursprünglich soll Gummi vorgesehen gewesen sein; der aber wahrscheinlich nicht in ausreichender Qualität zur Verfügung stand). Das Aussengehäuse lässt sich fest mit einer Klammer mit dem inneren Gehäuse verbinden. So ist das Ganze hermetisch abgedichtet.

 

Die Technik

Aber warum hat man denn nicht einfach eine verschraubte Krone verwendet; dies umso mehr als rechteckige Gehäuse generell schwieriger abzudichten sind als runde? Das hängt mit dem Patent des grossen Konkurrenten in Genf zusammen. Rolex hatte seine Oyster Krone bereits Mitte der zwanziger Jahre weltweit schützen lassen. Daran kam keiner vorbei. Es gab nur den aufwendigen Umweg, wie ihn OMEGA gegangen ist. Das Werk der Marine ist ein Handaufzugwerk (Kaliber 19.4 SOB T2). Da kann man sich fragen, ob nicht ein automatisches Werk geeigneter gewesen wäre. War doch zum Aufziehen der Uhr das Doppelgehäuse zu öffnen und anschliessend wieder zu verschliessen, was zu Abnutzung der Dichtung führte. Die Firma hatte seinerzeit kein Werk mit Selbstaufzug zur Verfügung. OMEGA hatte die Entwicklung der automatischen Uhr verschlafen, ihr Patron war dezidiert der Meinung, dass die Leute gefälligst nicht zu faul sein sollten, ihre Uhr von Hand aufzuziehen. Aber selbst wenn ein automatisches Werk zur Verfügung gestanden hätte, so wäre die Uhr mit einem Doppelgehäuse bestimmt viel zu dick ausgefallen. Also blieb es beim Handaufzugskaliber. Am Rande sei vermerkt, dass OMEGA für die Re-edition der Marine 2007 ebenfalls ein Handaufzugskaliber wählte (wenn auch mit Co-Axial-Hemmung). Wohl immer noch aus den gleichen Gründen wie damals.

Der OMEGA Marine war letztlich - weil unpraktisch und teuer - kein grosser Verkaufserfolg beschieden. Aber in einer Hinsicht schlägt sie jede Submariner oder Sea Dweller unserer Tage. Während bei diesen das Verschrauben der Krone vergessen gehen kann und die Uhr folglich undicht wird, ist so etwas bei der „Marine“ unmöglich. Nur wenn das Gehäuse der Uhr zusammengeschoben und fixiert ist, kann sie auch getragen werden! Eine absolut narrensichere Einrichtung für „das absent-minded people“. Entsprechend ist die Marine in jedem Fall der günstigere Kauf im Vergleich zur ruinierten Rolex; aber zugegeben, trotzdem nicht mehr ganz zeitgemäss.

 

Zum Schluss sei vermerkt, dass es in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts neben dem „absent-minded people“ auch das "hard-core people“ gab, welches die Uhr, die 1937 unter Laborbedingungen gar einer Tiefe von 135 Metern widerstand, tatsächlich nötig hatte. So zum Beispiel Dr. William Beebe. Ein unerschrockener Naturforscher und Entdecker, der 1934 mit seiner "Bathysphere" auf eine Meerestiefe von beinahe 1'000 Metern hinunterstieg. Mit einer ziemlich improvisierten Taucherausrüstung und mit der OMEGA Marine am Handgelenk tauchte er im pazifischen Ozean und schrieb anschliessend der Bieler Firma die folgenden Zeilen: „I wore my OMEGA Marine in the Pacific Ocean at a depth of 14 metres, where the pressure is twice the normal one. My watch sustained this test with success. Its tightness to water and dust and its robustness to corrosion represent a true progress for watchmaking science.“ Aber eben Beebe und seine Kollegen sind nicht unbedingt verkaufsfördernd für Leser des „Daily Telegraph“.

 

Text von Bruno Pfaff